Stellungnahmeder Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft zum vom BMG vorgelegten
· Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung (Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz – ApoVWG) sowie dem
· Referentenentwurf für eine Zweite Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung.
Präambel
Die DPhG geht in dieser Stellungnahme vor allem auf pharmazeutische und wissenschaftliche Aspekte der Apothekenstrukturreform ein. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die pharmazeutische Beratung in Apotheken mit einer besonderen Verantwortung für die Gesundheit von Patientinnen und Patienten verbunden ist, die eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung und eine entsprechende Vergütung erfordert. Insgesamt betrachtet, sind die vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichend, um das wirtschaftliche Fundament der Apotheken nachhaltig zu stabilisieren. Die zaghaften Schritte der Entbürokratisierung führen nicht zu einer deutlichen Entlastung der Apothekerinnen und Apotheker.
Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung
(Apothekenversorgung-Weiterentwicklungsgesetz – ApoVWG)
Neue pharmazeutische Dienstleistungen (§ 129 SGB V)
Die DPhG begrüßt die Erweiterung der Liste an pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). Durch die vier neuen pDL wird der Apothekerberuf gestärkt, die wissenschaftliche Ausbildung noch besser genutzt und der Bevölkerung ein niedrigschwelliger Zugang zu Präventions- und Gesundheitsleistungen ermöglicht. Dies steigert nicht nur die Zufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem, sondern auch die der Apothekerinnen und Apotheker mit ihrer Tätigkeit.
Insbesondere die neue pDL „Pharmazeutisches Medikationsmanagement bei komplexer oder neu verordneter Dauermedikation“ ist ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass diese pDL trotz ausreichender wissenschaftlicher Evidenz [1] nur auf ärztliche Verordnung durchgeführt werden darf. Ein Medikationsmanagement sollte zur Stärkung der Patientensicherheit in allen risikoträchtigen Situationen, wie z.B. einer Medikationsumstellung nach Krankenhausentlassung, auch ohne ärztliche Verordnung möglich sein. Auch die pDL zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus begrüßt die DPhG außerordentlich. Über Jahre haben die Apothekerinnen und Apotheker hier wissenschaftlich fundiert gezeigt, dass durch eine zusätzliche Pharmazeutische Betreuung die Gesundheit der Bevölkerung positiv beeinflusst wird [2, 3].
Die nun aus neun pDL bestehende Liste sollte in Zukunft weiter ausgebaut werden. Insbesondere eine pharmazeutische Dienstleistung zur Adhärenzförderung wäre wünschenswert, da mangelnde Therapietreue bekanntermaßen nicht nur schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann, sondern auch zu hohen vermeidbaren Ausgaben im Gesundheitswesen führt [4]. Auch hier ist wissenschaftlich belegt, dass Apothekerinnen und Apotheker im Bereich Adhärenzförderung einen großen Mehrwert bringen können [5].
PTA-Weiterqualifizierung mit Vertretungsbefugnis (§ 2 Apothekenbetriebsordnung und § 7 PTA-Berufsgesetz)
Die Möglichkeit der Weiterqualifizierung von PTAs wertet den Beruf auf und kann vielen PTAs neue Perspektiven bieten. Weiterqualifizierte PTAs könnten neue Aufgaben übernehmen, wie z.B. die vorgesehene Unterstützung bei der Dokumentation der pDL. Eine zweijährige Weiterbildung kann jedoch ein anspruchsvolles universitäres Studium nicht ersetzen, auch nicht für 20 Tage im Jahr. Die DPhG spricht sich daher gegen jegliche Vertretungsbefugnis von PTAs aus und lehnt eine „Apotheke ohne Apotheker“ weiterhin ab. Arzneimitteltherapien zeichnen sich heute durch eine hohe Komplexität und Vielfalt aus, für deren umfassende Beurteilung eine wissenschaftliche Ausbildung benötigt wird, um die Patienten- und Arzneimitteltherapiesicherheit vollumfänglich sicherzustellen. Das gilt umso mehr vor dem Hintergrund erweiterter Dienstleistungen und Befugnisse. Wir verweisen hiermit auf unsere Stellungnahme zum Referentenentwurf von 2024 [6].
Abgabe von bestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Apotheker zur Anschlussversorgung und bei bestimmten Erkrankungen (§ 48a und §48b Arzneimittelgesetz)
Die erweiterten Befugnisse zur Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel in definierten Ausnahmesituationen leisten einen wichtigen Beitrag zu einer verlässlichen, wohnortnahen und effizienten Arzneimittelversorgung bei gleichzeitiger Entlastung der Arztpraxen.
Durch die Möglichkeit der einmaligen Abgabe bestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel zur Anschlussversorgung bei chronischen Erkrankungen wird verhindert, dass laufende Therapien unnötig unterbrochen werden. Patientinnen und Patienten erhalten auf diesem Weg auch außerhalb ärztlicher Sprechzeiten eine zeitnahe Arzneimittelversorgung. Gleichzeitig werden Bereitschaftspraxen und Notfallambulanzen von rein administrativen Folgeverordnungen entlastet und können sich stärker auf akutmedizinische Fälle konzentrieren. Die vorgesehene Abgabe bei definierten unkomplizierten Erkrankungen ermöglicht zudem eine niedrigschwellige Erstversorgung, insbesondere in ländlichen Regionen. Durch die verpflichtende Dokumentation und klare Einschränkungen bleibt die Arzneimitteltherapiesicherheit gewährleistet. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass diese Erstversorgung effektiv und sicher ist [7].
Durch die patientenorientierte Ausbildung im Rahmen der Examensfächer Pharmakologie und Klinische Pharmazie haben Apothekerinnen und Apotheker die dafür notwendigen fachlichen und wissenschaftlichen Kenntnisse bereits im Pharmaziestudium erworben. Besonders die Fähigkeit, fundiert zu beurteilen, ob eine ärztliche Diagnose oder Behandlung erforderlich ist oder nicht, zählt zu den zentralen Kompetenzen aller Apothekerinnen und Apotheker. Diese Kompetenz wird tagtäglich in der qualifizierten OTC-Beratung eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit dem Zugriff auf die klinische Dokumentation über die elektronische Patientenakte bestehen nun auch die technischen Voraussetzungen für eine sichere Abgabe und Dokumentation verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Ausnahmefall ohne ärztliche Verordnung.
Erweiterte Impfmöglichkeiten durch Apotheken (§ 20c Infektionsschutzgesetz)
Die Erweiterung des Impfangebots in Apotheken auf sämtliche Totimpfstoffe ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Erhöhung der Impfquoten in der Bevölkerung, weil damit Impfungen niedrigschwelliger als bisher in Anspruch genommen werden können. Dabei kann auf den etablierten Strukturen für Influenza- und COVID-19-Impfungen in Apotheken und auf Erfahrungen aus 14 anderen europäischen Ländern aufgebaut werden [8]. Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die bisher in Deutschland durchgeführten Influenza-Impfungen in öffentlichen Apotheken sicher sind und die Angebote in den Arztpraxen zugunsten der Prävention so ergänzen, dass die Impfquote insgesamt gesehen gesteigert wird [9].
Entwurf der Zweiten Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und
der Arzneimittelpreisverordnung
Abschaffung der Pflicht zum Vorhandensein wissenschaftlicher Hilfsmittel in der Apotheke (Streichung § 5 Apothekenbetriebsordnung)
§5 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gibt bisher vor, dass in den Apotheken bestimmte „wissenschaftliche Hilfsmittel“ zur Beratung der Patienten und Ärzte sowie zur Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln und Ausgangsstoffen vorhanden sein müssen. Die DPhG vertritt und fördert die wissenschaftliche Ausrichtung des Apothekerberufs und stärkt dessen fachlich-wissenschaftliches Fundament. Eine Streichung des § 5 ApBetrO widerspricht der Aufrechterhaltung und Stärkung dieses für eine qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung unabdingbaren Fundaments.
Mit Wegfall des § 5 der ApBetrO würde das Vorhalten von Fachliteratur wie dem Arzneibuch oder dem NRF in die Verantwortung der Apothekenleitung gestellt. Jede Apotheke könnte somit in Zukunft ihre eigenen Qualitätsmaßstäbe anlegen, was aus Sicht der Patientensicherheit nicht zielführend ist. Eine Entbürokratisierung an dieser Stelle wäre der falsche Schritt, weshalb von einer Streichung des § 5 abgesehen werden sollte.
Fazit
Die vorgelegten Referentenentwürfe ermöglichen eine noch bessere Nutzung der heilberuflichen Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker in der Primärversorgung, stärken deren öffentliche Wahrnehmung als Heilberuf und bilden die Grundlage für neue Dienstleistungen zur Verbesserung von Prävention und Patientensicherheit. Vor dem Hintergrund der abnehmenden Gesundheitskompetenz der deutschen Bevölkerung ist die Etablierung der Apotheke als niedrigschwellige Anlaufstelle in Gesundheitsfragen, deren Leistungen ohne Terminvereinbarung genutzt werden können, nicht zu unterschätzen.
Gerade vor dem Hintergrund dieser erweiterten Kompetenzen bedarf es wissenschaftlich ausgebildeter Apothekerinnen und Apotheker - unterstützt (aber nicht ersetzt) von weiterqualifizierten PTAs. Gleichzeitig wird mit der geplanten Reform jedoch die wirtschaftliche Basis der Apotheken nur unzureichend gestärkt und das wissenschaftliche Fundament zur Ausübung der pharmazeutischen Tätigkeiten den Apothekenleitern überlassen. Diese Punkte sind dringend nachzubessern, damit die Arzneimittelversorgung durch Apotheken mit der geplanten Reform tatsächlich weiterentwickelt werden kann.
Für die DPhG:
Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Präsident
Unter Mitwirkung von:
Kristina Friedland, Robert Fürst, Thomas Maschke, Nadine Metzger, Oliver Scherf-Clavel, Hanna Seidling, Clemens Tründelberg
Literatur
1. Meid AD et al. Mortality and Hospitalizations Among Patients Enrolled in an Interprofessional Medication Management Program. Dtsch ArzteblInt 2023; 120: 253-260. doi: 10.3238/arztebl.m2023.0014.
2. Schmiedel K et al. Effects of the lifestyle intervention program GLICEMIA in people at risk for type 2 diabetes: a cluster-randomized controlled trial. Diabetes Care 2015; 38: 937-939. doi: 10.2337/dc14-2206.
3. Prax K etal. Preventive Care in Type 2 Diabetes: Results of a Randomized, Controlled Trial in Community Pharmacies. Diabetes Care 2021; 44:e157-e159. doi:10.2337/dc20-2319.
4. Laschet H. Mangelnde Therapietreue. Das Milliardengrab. ÄrzteZeitung [online] 30.10.2013. Verfügbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Das-Milliardengrab-271005.html(zugegriffen am 04.11.2025).
5. Schulz Met al. Pharmacy-based interdisciplinary intervention for patients with chronic heart failure: results of the PHARM-CHF randomized controlled trial. Eur J Heart Fail 2019; 21: 1012-1021. doi: 10.1002/ejhf.1503.
6. Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG). Apotheke der Zukunft ohne Apothekerinnen und Apotheker? Von Risiken und Nebenwirkungen des geplanten Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG). 20.06.2024. Verfügbarunter: https://www.dphg.de/artikel/dphg-statement-aporg (zugegriffen am 04.11.2025)
7. Beahm NPet al. Outcomes of Urinary Tract Infection Management by Pharmacists(RxOUTMAP): A study of pharmacist prescribing and care in patients with uncomplicated urinary tract infections in the community. Can Pharm J (Ott) 2018;151: 305-314. doi: 10.1177/1715163518781175.
8. Haems M etal. European community pharmacists practice in tackling influenza. Explor Res Clin Soc Pharm 2024; 14: 100447. doi: 10.1016/j.rcsop.2024.100447
9. Werthner Qet al. Client satisfaction, safety, and insights from a three-season survey on influenza vaccinations delivered at community pharmacies in Germany. Vaccine 2025; 45: 126650. doi: 10.1016/j.vaccine.2024.126650.


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